Am 3. Oktober feiern wir den Tag der Deutschen Einheit. Dieses Datum erinnert uns daran, dass Mauern fallen können, wenn der Wille der Menschen groß genug ist. 1989 und 1990 waren es Mut, Zusammenhalt und der Wunsch nach Freiheit, die den Lauf der Geschichte veränderten. Doch die Einheit war damals mehr als nur der Abriss von Beton und Stacheldraht. Sie war zugleich ein Akt der Vergebung, ein Akt der Friedenssicherung und ein Akt des Vertrauens. Mit der Wiedervereinigung schlossen die Deutschen nicht nur ihre eigene Teilung ab, sondern auch die Nachkriegsordnung in Europa. Damit wurde ein Signal gesendet, dass Frieden, Einheit und Vertrauen stärker sind als Trennung, Misstrauen und ideologische Lager.
Heute, mehr als drei Jahrzehnte später, stehen wir wieder an einem Scheideweg. Die Mauer ist nicht mehr aus Beton, sie zieht sich durch Familien, durch Freundeskreise und durch die Köpfe der Menschen. Deutschland droht an innerer Zerrissenheit zu scheitern. Wirtschaftlich stecken wir in einer Sackgasse. Überteuerte Energie, überbordende Bürokratie und falsche Ideale zerstören unseren Standort. Wir können nicht aus einer Einbahnstraße herausfinden, wenn wir stur weiterfahren. Wir müssen den Mut haben, umzudrehen. Gesellschaftlich wächst die Spaltung von Tag zu Tag. Statt Brücken zu bauen, werden künstliche Gegensätze geschaffen: arm gegen reich, alt gegen jung, Land gegen Stadt. Ein Land, das sich gegenseitig bekämpft, hat keine Zukunft. Politisch fühlen sich immer mehr Menschen von den Regierenden nicht mehr vertreten. Entscheidungen über Köpfe hinweg, Ideologie statt Vernunft und das Fehlen echter Beteiligung zerstören das Vertrauen in den Staat.
Die äußere Einheit unseres Landes ist längst vollzogen. Was heute fehlt, ist die innere Einheit. Und genau hier braucht es wieder das, was uns 1990 stark gemacht hat: den Willen zur Vergebung, die Kraft zur Versöhnung und den Mut, Frieden und Vertrauen auch im Inneren zu sichern. Nur wenn wir diese Einheit wiederherstellen, können wir verhindern, dass unser Land schwächer wird und Europa ins Wanken gerät.
Die Schatten der Vergangenheit mahnen uns heute auf eine besondere Weise. „Auferstanden aus Ruinen“ ist nicht nur ein Rückblick auf die Nachkriegszeit, sondern eine Warnung davor, dass wir nie wieder in eine Spirale von Aufrüstung und Krieg geraten dürfen, die Europa erneut in Verwüstung stürzt. Der 3. Oktober ist deshalb nicht nur ein Feiertag, sondern ein Auftrag: Spaltung überwinden, Irrwege verlassen, Vertrauen aufbauen – auf allen Seiten – und den Mut haben, wieder gemeinsam für die Zukunft Deutschlands einzustehen.